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Das Konzept
Handlungsorientierten Lernens
Dr.
Hans-Jürgen Lindemann
Inhalt:
1.
Konzepte beruflicher Handlungskompetenz – Handlungsorientiertes Lernen
2.
Das Prinzip Handlungsorientierten Lernens
3.
Handlungsorientierung in der Leittext- und Projektmethode
4.
Ausbilder- und Lehrerfortbildung
5.
Literatur
Das
Prinzip Handlungsorientierten Lernens
1.
Konzepte beruflicher Handlungskompetenz – Handlungsorientiertes Lernen
Globalisierung
und internationale Verflechtung von Produktion und Handel machen es
zunehmend erforderlich, erworbene Fähigkeiten und Fertigkeiten
auf neue Situationen in der Arbeitswelt übertragen zu können.
Erworbenes Fachwissen verfällt immer schnell, weil der technologische
Wandel in immer kürzeren Zyklen neue Produktionsmethoden hervorbringt.
Die Verflechtung internationaler Märkte erzwingt Strukturreformen,
die berufliche Profile einem immer stärkeren Wandel aussetzt. Das
Konzept beruflicher Handlungskompetenz in Deutschland blickt auf eine
lange Entwicklung zurück.
Bis
in die 50er und 60er Jahre dominierte die monoberufliche Ausbildung
für eine stark spezialisierte, manchmal auch repetitive und fremdorganisierte
Arbeit. Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre veränderte sich
der Charakter beruflicher Anforderungen hin zu breiterer Qualifizierung
und damit auch zu Konzepten einer beruflichen Grundbildung mit anschließender
Spezialisierung. Es wurde individuelle Flexibilität angestrebt,
die es möglich machte, ungebundene und zum Teil selbständig
auszuführende Teilprozesse bewältigen zu können. Seit
den 80er und verstärkt in den 90er Jahren wurden zunehmend teilautonome
und selbstorganisierte betriebliche Arbeitsprozesse eingeführt,
und es wurden entsprechend für die Aus- und Weiterbildung Kompetenzen
und Schlüsselqualifikationen definiert, die die gesamte Arbeitsorganisation
stärker berücksichtigten und die nicht mehr auf Monoberufe
sondern auf umfassendere Berufsfelder bezogen waren. Die Ausbildung
zielt seither darauf ab, auf der Basis breiter Grundbildung gestaltbare
und dispositive Arbeit durchführen zu können.
Man
kann feststellen, daß dieser Wandel von "beruflichem Können"
mit hohen Anteilen spezialisierter beruflicher Fachkompetenz über
Konzepte der breiteren beruflichen Qualifizierung hin zum Erwerb flexibler
beruflicher Handlungskompetenz führte. Parallel zu dieser Veränderung
entwickelte sich die Strukturierung der beruflichen Ausbildung von Monoberufen
hin zur Ausbildung in beruflichen Gruppen (familias profesionales) innerhalb
weitgefaßter Berufsfelder.
Die
Debatte um Kompetenzen und eine entsprechende Bildung ist in Deutschland
nicht neu, denn bereits im 19. Jahrhundert wurden formale und materiale
Bildungsansätze unterschieden. In der beruflichen Bildung werden
seit der Reformpädagogik die Konzepte von Kerschensteiner und Gaudig
diskutiert, die mit ihren Arbeitsschulkonzepten auch allgemeine Persönlichkeitsmerkmale
bilden und formen wollten und die die Förderung übergreifender
Arbeitstugenden anstrebten.
Neu
ist in der aktuellen Debatte allerdings, daß Betriebe an kompetenzbasierter
Aus- und Weiterbildung seit den 90er Jahren verstärkt großes
Interesse entwickeln, indem sie beispielsweise neben der Fachkompetenz
auch die Methoden-, die Human- und Sozialkompetenz sowie die praktische
Handlungskompetenz durch Aus- und Weiterbildung fördern wollen.
Mittlerweile kommt kompetenzbasierter Ausbildung in allen Bildungssektoren,
also auch im Schul- und Hochschulbereich eine sehr große Bedeutung
zu.
Schlüsselqualifikationen
und Kompetenzen lassen sich auf die Bereiche Arbeit, Denken und Verhalten
beziehen. Der Bezug zur Arbeit umfasst berufliche und grundlegende fachliche
Handlungskompetenzen, der Bezug zum Denken hebt methodologische Kompetenzen
hervor, während der Bezug zum Verhalten vor allem Sozial- und Mitwirkungskompetenzen
thematisiert.
Die
kompetenztheoretische Debatte hat eine lange bildungstheoretische Tradition,
die in der beruflichen Bildung auf die Überlegungen zur formalen
Bildung zurückgehen. Die pädagogisch wichtigen Konzeptionen
zur Arbeitsschule von Kerschensteiner und Gaudig, die hierbei eine Rolle
spielten, wurden allerdings in der weiteren Entwicklung beruflicher
Ausbildung nicht mehr fokussiert. In den Ausbildungsplänen dominierten
materiale Aspekte einer Didaktik im engeren Sinne, einer Didaktik, die
solche Inhalte des Lernens betonte, die aus den jeweiligen Fachwissenschaften
vor allem im theoretischen Teil der Berufsausbildung abgeleitet werden
konnten. Materiale Fachkenntnisse galten daher lange als dominierender
Bestandteil der beruflichen Fachkompetenz. Konkreter wurden die Debatten
zur Konzipierung von Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen erst
seit den siebziger Jahren als die Arbeitsmarkt- und Qualifikationsforschung
auf Grund des schnellen und kaum prognostizierbaren Wandels von Technik
und Arbeitsorganisation keine präzisen und validen Aussagen über
die künftigen Qualifikationsanforderungen mehr zuließ.
Die
konkreten Qualifikationsanforderungen schon für die nächsten
fünf bis zehn Jahre nach Abschluß einer beruflichen Ausbildung
vorherzusagen, war kaum mehr möglich. Die Berufspädagogik
bemühte sich daher, Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen
zu konstruieren, die es den einzelnen Personen gestatten sollten, sich
auf die wandelnde Arbeitswelt auch individuell immer wieder neu einzustellen.
Die ersten klar dimensionierten Kompetenzkonzepte unterschieden bereits
Ende der achtziger Jahre Personal- und Sozialkompetenz, Fachkompetenz
und Methodenkompetenz. Aber um für den Lehr- und Lernprozeß
genauere Anhaltspunkte zu schaffen, wurden längere Indikatorenlisten
für die verschiedene Kompetenzbereiche auf der Basis empirische
Arbeitanalysen entwickelt.
Waren
kompetenzorientierte Entwürfe für die Ausbildung und Weiterbildung
in früheren Jahren pädagogisch normativ begründet, so
zeigt die jüngere Entwicklung, daß heute die tatsächlichen
und empirisch zu ermittelnden beruflichen Aufgaben der Fachkräfte
kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung erfordern.
Auch
in Lateinamerika wird in der Reform der Berufsbildungssysteme von einem
breit angelegten Konzept beruflicher Handlungskompetenz ausgegangen.
Die in vielen Ländern vorangetriebenen Reformen der technisch orientierten
Sekundarstufen haben das Ziel, breit angelegte Qualifikationsprofile
zu erzeugen, die sowohl für den Übergang zur Hochschule als
auch für die Integration in den Arbeitsmarkt von Nutzen sind. Moderne
Produktion ruft auch in Lateinamerika die Nachfrage nach breit qualifizierten
Fachkräften hervor. Aber auch traditionelle Berufsbildungsinstitutionen
setzen auf die Ausbildung gut qualifizierter Fachkräfte mit sozialen
und methodischen Kompetenzen.
Dennoch müssen wir
vor allem in der Reform der technischen Sekundarstufe davon ausgehen,
dass nur ein geringer Anteil der ausgebildeten Jugendlichen im modernen
Sektor eine Arbeit finden wird. In Argentinien verschiebt sich das Problem,
denn je nach Sektor gehen nach Abschluss des technischen Abiturs mehr
als zwei Drittel bis hin zu 80% der Jugendlichen auf weiterführende
Schulen im tertiären Bereich. Auch viele Abgänger des SENATI finden
nur im informellen Sektor eine Arbeit. Die chronische Unterbeschäftigung
in El Salvador gibt Auszubildenden wenig Hoffnung, wie Lehrer und Ausbilder
in den Seminaren immer wieder klagen.
Ich meine aber,
dass eine konsequente Orientierung der Ausbildung am Prinzip der Handlungsorientierung
soziale und methodische Kompetenzen schafft, die für selbständige Arbeit
eine gute Grundlage sein können. Ohne diese Gedanken an dieser Stelle
breit ausführen zu wollen, will ich aber zwei Beispiele anführen, wie
eine konsequente Orientierung an lokalen Märkten Schule wichtige Impulse
geben kann. Die Öffnung zum Privatsektor eröffnet handlungsorientiertem
Lernen enorme Möglichkeiten, den Lernprozess auf reale Situationen aufzubauen.
Schüler einer kaufmännischen Schule in San Juan haben Broschüren
für die lokale Tourismusbranche hergestellt und Schüler einer
Schule mit Klassen der Berufsvorbereitung
haben ihre Schule kurzerhand in eine Produktionsschule verwandelt.
2.
Das Prinzip Handlungsorientierten Lernens
Bei
all den Fortschritten, kompetenzbasiertes Lernen in den unterschiedlichen
Stufen der Aus- und Weiterbildung einführen zu wollen, gibt es
in konzeptioneller Hinsicht ein Problem, das nur in Ansätzen gelöst
ist. Wir wissen im Prinzip nicht genau, wie wir zielgerichtet komplexere
Kompetenzen erlernen können. Die pädagogische Wissenschaft
und insbesondere die Didaktik beruflichen Lernens gibt uns nur grobe
Anhaltspunkte, welche Methoden zum Erlernen welchen Kompetenzbündels
wie einzusetzen sind. Wir müssen uns mit Annäherungen und
einer Aufarbeitung der Erfahrungen begnügen. Das Erfahrungswissen
lehrt uns allerdings, dass handlungsorientierte Konzepte wesentlich
eher geeignet sind, auch komplexere Kompetenzbündel erlernen zu
können.
Handlungsorientiertes
Lernen ist keine Methode, sondern ein Prinzip. Nach diesem Prinzip kann
an unterschiedlichen Lernorten berufliches Handeln erlernt werden. In
der beruflichen Ausbildung geht es darum, Auszubildende in der Berufsausbildung
(Formación profesional) oder auch Schüler in berufsorientierten
Bildungsgängen der Sekundarstufe vor praxisrelevante Aufgaben zu
stellen, die zu erfüllen sind. Hintergrund ist dabei immer eine
konkrete berufsrelevante und vor allen Dingen komplexe Situation. Es
werden sodann Aufträge formuliert, die zu lösen sind. In didaktischer
Hinsicht sind diese Lern- und Arbeitsaufgaben (tareas de aprendizaje
y trabajo) das Gestaltungsinstrument der Ausbilder und Lehrer. Die Situation
aus dem Arbeitsleben kann dabei als Kontext dienen, in dessen Rahmen
ein Problem zur Lösung ansteht. Die Gestaltungsmöglichkeiten
bestehen nun darin, je nach Vorkenntnis und bereits vorhandener Kompetenz
der Lernenden mehr oder weniger komplexe Aufgaben zu formulieren. In
der Praxis der EZ kann es hilfreich sein, bei der Einführung handlungsorientierten
Lernens mit den Akteuren eine Erkundung lokaler innovativer Ökonomien
vorzunehmen. Wenn es Projekte in der Wirtschaftsförderung gibt,
sollten dort Kooperationen gesucht werden mit dem Ziel, lebensnahe Lern-
und Arbeitsaufgaben zu formulieren.
Handlungsorientiertes
Lernen ist dabei mehr als nur die Tätigkeit, das Durchführen
der Aufgabe. Es geht um das zunehmend selbständige Planen, Durchführen
und Bewerten. Es gehört weiterhin die Aufgabe dazu, zwischen unterschiedlichen
Lösungswegen unterscheiden zu können, unterschiedliche Arbeitsverfahren
kennen zu lernen und sie beurteilen zu können. Lernende müssen
sich schließlich für eine Arbeitsablauf entscheiden, die
Arbeit durchführen und kontrollieren, ob Qualitätskriterien
eingehalten worden sind. Schließlich wird das Arbeitsergebnis
bewertet, was konkret heißt, die Durchführung mit der Planung
zu vergleichen um damit den eigenen Lernfortschritt bewerten zu können.
Im Sinne der Konstruktion (Modus der Konstruktivität im Sinne konstruktivistischer
Ansätze des Lernens) neuer Kenntnisse Fertigkeiten und Fähigkeiten
sollen Lernende nach und nach dazu angeleitet werden, ihre zukünftigen
Lernfelder eigenständig identifizieren zu können. Eine Evaluierung
des Lernergebnisses ist in diesem Sinne als die Schaffung neuer Lernziele
zu begreifen. Die Kooperation mit anderen Lernenden ist dabei ein weiteres
Grundprinzip handlungsorientierten Lernens, denn nur hier können
eigene Wertvorstellungen und Beurteilungen mit denen anderer verglichen
und diskutiert werden. In diesem Sinne verweist das handlungsorientierte
Lernen auf all die Verfahren, die in und mit der Gruppe durchzuführen
sind.
Die
Basis Handlungsorientierten Lernens ist die Planung, Durchführung
der Aufgabe sowie die anschließende Kontrolle und Bewertung. Unter
dem Begriff der Handlungsorientierung ist also der gesamte und vollständige
Prozess des miteinander verbundenen Lernens und Arbeitens zu verstehen.
Das Leitziel des handlungsorientierten Lernens ist die breite berufliche
Handlungskompetenz.
Selbständiges
Handeln ist erlernbar. Es eröffnet die Möglichkeit, zielgerichtet,
kreativ und erfolgreich anstehende Aufgaben bewältigen zu können,
um damit auf neue berufliche Herausforderungen reagieren zu können.
Handlungsorientiertes Lernen geht von der vollständigen Handlung
aus, die die drei großen Bereiche des Planens, Durchführens
und Kontrollierens umfasst. Für das Lernen werden diese drei Bereiche
weiter untergliedert und zwar in die sechs Schritte des Informierens,
Planens, Entscheidens, Durchführens, Kontrollierens und Bewertens.
Derjenige,
der eine Handlung ausführen will, muss sich zunächst über
das genaue Ziel des Auftrages informieren. Er entwirft einen Arbeitsplan
und entscheidet sich für einen Ausführungsweg. Er legt weiterhin
fest, in welcher Reihenfolge er die Arbeiten ausführen will, wo
und wie er mit Mitarbeitern kooperiert, und welches Werkzeug und Material
er benötigt und einsetzen will. Dann führt er die Arbeit aus.
Die Planung ist das eigenständige Probehandeln der späteren
Durchführung der Aufgabe. Der Arbeitsablauf ist sozusagen im Kopf
vorweggenommen worden. Der Lernende hat sich in diesem Sinne ein Bild
von dem fertigen Produkt gemacht, einen Entwurf. Er hat sodann den Bauplan
im Kopf erstellt. Zur Kontrolle ist es wichtig, das Lernende angeleitet
werden, Qualitätskriterien zu entwickeln und dann auch einzuhalten.
Der Kontrolle kann das Erarbeiten eines Kontrollbogens vorausgehen.
In dem Bogen werden die Kriterien festgelegt, nach denen kontrolliert
wird. Bei der Ausführung von Arbeitsaufgaben können hier auch
Maßtoleranzen vorgeben werden, innerhalb derer die Qualität
des fertigen Produktes liegen muss. Anschließend bewerten Lernende
zusammen mit dem Ausbilder oder Lehrer, ob alle Planungs,- Entscheidungs-
und Ausführungsschritte optimal verlaufen sind. Gleichzeitig wird
der Arbeitsablauf untersucht und es wird gemeinsam ermittelt, welche
Fehler zukünftig wie vermieden werden können.
Damit
sind wir bei einem weiteren Prinzip handlungsorientierten Lernens angelangt:
Das Lernen erfolgt in einem Zyklus von Prozess – Produkt – Prozess.
Die Lösung einer Aufgabe endet in einem Produkt, das Produkt repräsentiert,
wenn man so will den Prozess, es ist der real gewordene Prozess. Das
Produkt ermöglicht nun einen weiteren Prozess, den der Reflexion.
Die Reflexion ist Ausgangspunkt für eine neue Aktion einer vollständigen
Handlung, eingeleitet durch eine neue Lern- und Arbeitsaufgabe, die
dem in der Phase der Reflexion gemeinsam erarbeiten zukünftigen
Lernbedarf gerecht wird. In diesem Sinne wechseln sich Aktion und Reflexion
ab. Die Evaluierung oder im pädagogischen Sinne Bewertung verfolgt
das Ziel, Qualifikationsdefizite in partizipativer Art und Weise aufdecken
zu können und sie den Lernenden nahezubringen. Je länger Schüler
oder Auszubildende mit dem Prinzip der vollständigen Handlung lernen,
desto mehr lernen sie auch, eigenständig ihre Qualifikationsdefizite
ermitteln zu können. Qualifikationsdefizite können so systematisch
abgebaut werden. Die Lernenden erarbeiten sich den eigenen Lernweg,
der den in den Curricula vorgegebenen Zielen folgen soll.
"Der
Prototyp des spezifischen Handlungswissens ist der ‚Handgriff’
" (Aebli 1993, S. 127), was auf den behaivioristischen Ursprung
(Habit) deutet. Heute hingegen bieten die kulturhistorische Schule Vigotskijs
und Leontjevs sowie die auf Piaget fußenden neueren Forschungen
lerntheoretische Zugänge.
Das Prinzip der Handlungsorientierung wird im Sinne eines konstruktivistischen
Lernverständnisses zur Methode, die je individuellen Räume
des Lernens erkunden zu können. Damit nehme ich Bezug auf die Tätigkeitstheorie
Leontjevs und ihre Revitalisierung in der modernen konstruktivistischen
Theorie des Lernens.
Der
Erwerb von Handlungswissen erfolgt über aktives Problemlösungen
in vollständigen Handlungen, bei denen neben der fachlichen auch
übergreifende methodische, soziale und personale Kompetenzen erworben
werden. Wie wir gesehen haben, steht dabei nicht ausschließlich
das Arbeitsergebnis im Mittelpunkt, sondern vielmehr ist der Weg dorthin
entscheidend, denn er eröffnet den Raum für Reflexion, ein
für die Konstruktion neuen Wissens und Könnens ganz entscheidender
Beitrag. Die Auszubildenden lernen das aktive, selbstgesteuerte Vorgehen,
suchen nach Lösungen. Doch zur Modellierung und Gestaltung dieser
Suchbewegungen benötigen wir Methoden, die dem Paradigma problemlösenden
Vorgehens folgen.
Ich
möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass
das Prinzip der Handlungsorientierung in einem Methodenmix seinen Ausdruck
findet. Je nach Lernfortschritt und Lernsituation der Auszubildenden
sind im Wechsel Methoden zu wählen, die effektiv zum Aufbau beruflicher
Handlungskompetenz führen. Dazu sind besonders die Leittextmethode
und die Projektmethode geeignet. Ich möchte an dieser Stelle aber
auch darauf hinweisen, dass uns bekannte darbietende Methoden damit
nicht der Vergangenheit angehören, ganz im Gegenteil. Darbietende
Methoden sind im Lernprozess komplementär anzulegen. Ein Projekt
eignet sich gerade ideal dazu, den Lernprozess immer wieder durch kurze
Phasen des zielgerichteten Lernens anzureichern, in denen z.B. mit der
Unterweisungsmethode (Informieren, Vormachen, Nachmachen, Üben)
Fertigkeiten in der Werkstatt und Fähigkeiten wie das Anwenden
mathematischen Wissens auf berufliche Sachverhalte erworben und geübt
werden.
3.
Handlungsorientierung in der Leittext- und Projektmethode
Die
Leittextmethode zielt auf den eigenständigen Erwerb von Fertigkeiten
und Kenntnissen ab. Sie soll Lernende und Auszubildende zum selbständigen
Planen, Durchführen und Kontrollieren von Arbeitstätigkeiten
befähigen. Das Vorgehen nach dem Prinzip der vollständigen
Handlung wird beim Lernen mit Hilfe sogenannter Leittexte erworben.
Eigenständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren wird
mehrfach wiederholt und so zum grundlegenden Prinzip, in Arbeitsprozessen
neue Aufgaben bewältigen zu können. Die Leittexte erhalten
für die Lernenden und Auszubildenden mehrere verschiedenartige
methodische Hilfen. Unterstützt werden die in schriftlicher Form
vorliegenden Leittexte durch Leitfragen und Hilfestellungen seitens
der Lehrenden. Mit einiger Übung kann das Vorgehen zunehmend eigenständig
auf neue Lern- und Arbeitsaufgaben übertragen werden. Vor allem
am Anfang ist darauf zu achten, dass der Arbeitsplan und die Zusammenstellung
der erforderlichen Arbeitsmaterialien sorgfältig ausgearbeitet
wird. Nur so kann der Lernende seine Planungskompetenz systematisch
aufbauen. Die Methode fördert ein vorausschauendes und zielgerichtetes
Denken und Handeln und bietet die Möglichkeit, kooperative Formen
anzuwenden.
Die
Methode ist in den achtziger Jahren in Deutschland zunächst für
das individuelle Lernen entwickelt worden. Der Gedanke, die Methode
auch in der Gruppenarbeit anzuwenden, kam mit der Forderung nach der
Förderung sozialer Kompetenzen auf. Die Methode erfuhr so ihre
Erweiterung. Die Leittextmethode eignet sich besonders zur Lösung
komplexer Aufgaben, auch wenn Lernende die Komplexität erst ansatzweise
auf Grund ihrer Vorkenntnisse und Vorerfahrungen zu erfassen in der
Lage sind. Sie werden in diesem Sinne systematisch geleitet, auch schwierige
Lern- und Arbeitsaufgaben bewältigen zu können.
Bei
der Projektmethode hingegen bekommen die Lernenden oder Auszubildenden
die Aufgabe, ein konkretes, und verwendungsfähiges Produkt herzustellen.
Bei der Herstellung sollen möglichst viele Fertigkeiten, Kenntnisse
und Fähigkeiten in Aktion gebracht werden, um so neue Kompetenzen
aufzubauen. Bei einem Projekt werden gleichermaßen theoretische
und praktische Inhalte gelernt und aufeinander bezogen. Das Projekt
umfasst die Werkstatt, das Labor und begleitende Fächer wie angewandte
Mathematik und technisches Zeichnen sowie Übungen zur Interpretation
technischer Information.
Die
besondere Bedeutung, die bei der Vermittlung dem Projektunterricht zugesprochen
wird, basiert auf einigen lerntheoretischen Prinzipien: Situationsbezug,
Praxisrelevanz, (Situationsbezug,
Praxisrelevanz: Hier ist besonders die Übungsfirma als eine auf
der Handlungsorientierung fussende umfassende Methode zu erwähnen)
Teilnehmerorientierung, Prozess- und Produktorientierung, Handlungsorientierung,
Orientierung am ganzheitlichen Lernen, Selbstorganisation, Teamorientierung
und Interdisziplinarität. Diese Prinzipien werden dem projektorientierten
Lernen zugeschrieben und diese Prinzipien gelten in besonderer Weise
als geeignet, kompetenzorientiertes Lernen zu unterstützen.
Leittextmethode
und Projektmethode unterscheiden sich in dem Grad selbständigen
Arbeitens. Bei der Projektmethode liegt die Planung bereits möglichst
umfassend bei den Lernenden oder Auszubildenden. Die Lern- und Arbeitsaufgabe
ist in diesem Sinne offener formuliert. Die Kreativität der Lerner
wird gefordert, Lernwege eigenständig zu entwickeln und zu beschreiten,
wobei der Irrtum zugelassen wird und Gegenstand der Reflexion ist. Im
Sinne des konstruktivistischen Paradigmas ist die Projektmethode verlockend,
zielt sie doch auf das eigenständige Handeln der Lerner. Allerdings
müssen sie das eigenständige Lernen erst lernen und deshalb
ist es ratsam, die Leittextmethode und die Projektmethode miteinander
zu verknüpfen. Das didaktische Gestaltungspotenzial der Ausbilder
und Lehrer liegt im genauen Formulieren der Lern- und Arbeitsaufgabe.
Hier kann eine klar umrissene Aufgabe innerhalb eines komplexen Kontextes
mit genau ausgearbeiteten Leittexten formuliert werden, die dann Lernern
enge Handlungsräume eröffnet, innerhalb derer sie lernen und
arbeiten. Erst wenn das Prinzip der vollständigen Handlung mit
seinen sechs Schritten des Handlungsvollzuges von den Lernern angewendet
werden kann, sie also das Handwerkszeug für ihr methodisches Vorgehen
besitzen, kann die Lern- und Arbeitsaufgabe offener formuliert werden.
Wir sollten es vermeiden, durch Überforderung der Lerner Misserfolge
zu organisieren, denn das Handlungsorientierte Lernen zeichnet sich
gerade dadurch aus, dass es – richtig angewandt – aus der Sache heraus
Motivation erzeugt und Lerner Selbstbewusstsein in der Problembearbeitung
erlangen lässt. Dieser Prozess ist von den Lehrern und Ausbildern
allerdings sorgsam zu steuern.
Oder
bezogen auf Vygotzki und die Zone Nächster Entwicklung (ZNE): Lehrer
und Ausbilder müssen mit der Anwendung der Projektmethode Methoden
entwickeln, die ZNE bei ihren Lerngruppen auch genau identifizieren
zu können – sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben, wenn wir
anfangen, das Lehren zu lassen und Auszubildende wie Schüler nach
und nach lernen zu lassen. Das "Lassen" beinhaltet auch, Gestaltungsmacht
abzugeben und sich auf Prozesse einzulassen, die einen hohen Grad an
Unbestimmbarkeit haben und folglich vom Lehrer und Ausbilder ein hohes
Maß an Souveränität verlangen, sich auf die offenen
Lernprozesse einzulassen. Die erforderliche Flexibilität kann man
sich nur nach und nach aneignen, wobei eine begleitende Lehrer- und
Ausbilderfortbildung geraten scheint. Hier muss es in erster Linie darum
gehen, Unsicherheiten aufzugreifen und neue Methoden und Techniken systematisch
zu lernen und zu trainieren. Nur so erarbeiten sich Ausbilder und Lehrer
die Kompetenz, nach und nach mit Methoden und Techniken in komplexen
pädagogischen Situationen angemessen reagieren zu können.
Der Übergang vom autokratischen Stil zum demokratischen Stil ist
mit einer ganzen Reihe von Disziplinproblemen seitens der Lernenden
verbunden. Das unvermeidbare Tal der zeitweisen Desorganisation sollte
in Begleitung geschulten Personals der Lehrerfortbildung durchschritten
werden, will man Lehrer und Ausbilder nicht frustrieren in der Anwendung
neuer Methoden, die dem Prinzip handlungsorientierten Lernens folgen.
4.
Ausbilder- und Lehrerfortbildung
Wenn
man lediglich die Systematisierung, Kategorisierung und Sequenzierung
von Kompetenzen in Curricula festschreibt, kann man nicht die erwünschten
Resultate erreichen. Sehr wichtig ist es, daß das pädagogische
Personal die genannten Lernprinzipien beherrscht und darüber hinaus
einschlägige Lehr- und Lernmethoden einsetzen kann, die zur Förderung
der jeweiligen Kompetenzbereiche geeignet sind.
Eine
Reform der beruflichen Curricula ist, wie bereits oben erwähnt,
wenig wirksam, wenn nicht gleichzeitig eine intensive und hohe Qualitätsstandards
realisierende Aus- und Fortbildung des pädagogischen Personals
in der beruflichen Bildung angeboten wird. Es geht besonders darum,
die Kompetenzen der Lehrenden und Ausbildenden zu verbessern, d.h. die
Fachkompetenz auf den Umgang mit den neuesten technologischen Entwicklungen
zu erweitern, die Methodenkompetenz so zu schulen, daß angemessene
Lehr- und Lernformen verfügbar sind, die Sozialkompetenz durch
einen kooperativen situationsorientierten Führungsstil und Formen
der Lernberatung zu stärken und die individuelle Kompetenz zu sensibilisieren,
beispielsweise durch die Fähigkeit zur Metareflexion des eigenen
pädagogischen Handelns unter Berücksichtigung übergeordneter
Bildungs- und Erziehungsziele.
seitenanfang
5. Literatur:
Aebli,
Hans: Denken, das Ordnen des Tuns, Klett-Cotta 1993
Uhe, Ernst, Meyser, Johannes:
Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft, Christiani, Konstanz 2001
Lindemann, Hans-Jürgen
(Buenos Aires) / Tippelt, Rudolf (München): Competencias Cla-ves y Capacidades
Profesionales Básicas, Una selección de aspectos y fundamentos, [Schlüs-selkompetenzen
und berufliche Grundqualifikationen, Ausgewählte Aspekte und Grundlagen]
In: Hans-Juergen Lindemann (ed.): Competencias fundamentales, Competencias
transver-sales, Competencias clave, Aportes teóricos para la reforma
de la formación técnico-profesional, TRANSFOTEP, Proyecto INET - GTZ,
GTZ - Cooperación Técnica Argentino-Alemana, Buenos Aires, Februar 2000
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