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DAS KONZEPT HANDLUNGSORIENTIERTEN LERNENS
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Das Konzept Handlungsorientierten Lernens

Dr. Hans-Jürgen Lindemann


Inhalt:

1. Konzepte beruflicher Handlungskompetenz – Handlungsorientiertes Lernen

2. Das Prinzip Handlungsorientierten Lernens

3. Handlungsorientierung in der Leittext- und Projektmethode

4. Ausbilder- und Lehrerfortbildung

5. Literatur


Das Prinzip Handlungsorientierten Lernens

 

1. Konzepte beruflicher Handlungskompetenz – Handlungsorientiertes Lernen

Globalisierung und internationale Verflechtung von Produktion und Handel machen es zunehmend erforderlich, erworbene Fähigkeiten und Fertigkeiten auf neue Situationen in der Arbeitswelt übertragen zu können. Erworbenes Fachwissen verfällt immer schnell, weil der technologische Wandel in immer kürzeren Zyklen neue Produktionsmethoden hervorbringt. Die Verflechtung internationaler Märkte erzwingt Strukturreformen, die berufliche Profile einem immer stärkeren Wandel aussetzt. Das Konzept beruflicher Handlungskompetenz in Deutschland blickt auf eine lange Entwicklung zurück.

Bis in die 50er und 60er Jahre dominierte die monoberufliche Ausbildung für eine stark spezialisierte, manchmal auch repetitive und fremdorganisierte Arbeit. Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre veränderte sich der Charakter beruflicher Anforderungen hin zu breiterer Qualifizierung und damit auch zu Konzepten einer beruflichen Grundbildung mit anschließender Spezialisierung. Es wurde individuelle Flexibilität angestrebt, die es möglich machte, ungebundene und zum Teil selbständig auszuführende Teilprozesse bewältigen zu können. Seit den 80er und verstärkt in den 90er Jahren wurden zunehmend teilautonome und selbstorganisierte betriebliche Arbeitsprozesse eingeführt, und es wurden entsprechend für die Aus- und Weiterbildung Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen definiert, die die gesamte Arbeitsorganisation stärker berücksichtigten und die nicht mehr auf Monoberufe sondern auf umfassendere Berufsfelder bezogen waren. Die Ausbildung zielt seither darauf ab, auf der Basis breiter Grundbildung gestaltbare und dispositive Arbeit durchführen zu können.

Man kann feststellen, daß dieser Wandel von "beruflichem Können" mit hohen Anteilen spezialisierter beruflicher Fachkompetenz über Konzepte der breiteren beruflichen Qualifizierung hin zum Erwerb flexibler beruflicher Handlungskompetenz führte. Parallel zu dieser Veränderung entwickelte sich die Strukturierung der beruflichen Ausbildung von Monoberufen hin zur Ausbildung in beruflichen Gruppen (familias profesionales) innerhalb weitgefaßter Berufsfelder.

Die Debatte um Kompetenzen und eine entsprechende Bildung ist in Deutschland nicht neu, denn bereits im 19. Jahrhundert wurden formale und materiale Bildungsansätze unterschieden. In der beruflichen Bildung werden seit der Reformpädagogik die Konzepte von Kerschensteiner und Gaudig diskutiert, die mit ihren Arbeitsschulkonzepten auch allgemeine Persönlichkeitsmerkmale bilden und formen wollten und die die Förderung übergreifender Arbeitstugenden anstrebten.

Neu ist in der aktuellen Debatte allerdings, daß Betriebe an kompetenzbasierter Aus- und Weiterbildung seit den 90er Jahren verstärkt großes Interesse entwickeln, indem sie beispielsweise neben der Fachkompetenz auch die Methoden-, die Human- und Sozialkompetenz sowie die praktische Handlungskompetenz durch Aus- und Weiterbildung fördern wollen. Mittlerweile kommt kompetenzbasierter Ausbildung in allen Bildungssektoren, also auch im Schul- und Hochschulbereich eine sehr große Bedeutung zu.

Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen lassen sich auf die Bereiche Arbeit, Denken und Verhalten beziehen. Der Bezug zur Arbeit umfasst berufliche und grundlegende fachliche Handlungskompetenzen, der Bezug zum Denken hebt methodologische Kompetenzen hervor, während der Bezug zum Verhalten vor allem Sozial- und Mitwirkungskompetenzen thematisiert.

Die kompetenztheoretische Debatte hat eine lange bildungstheoretische Tradition, die in der beruflichen Bildung auf die Überlegungen zur formalen Bildung zurückgehen. Die pädagogisch wichtigen Konzeptionen zur Arbeitsschule von Kerschensteiner und Gaudig, die hierbei eine Rolle spielten, wurden allerdings in der weiteren Entwicklung beruflicher Ausbildung nicht mehr fokussiert. In den Ausbildungsplänen dominierten materiale Aspekte einer Didaktik im engeren Sinne, einer Didaktik, die solche Inhalte des Lernens betonte, die aus den jeweiligen Fachwissenschaften vor allem im theoretischen Teil der Berufsausbildung abgeleitet werden konnten. Materiale Fachkenntnisse galten daher lange als dominierender Bestandteil der beruflichen Fachkompetenz. Konkreter wurden die Debatten zur Konzipierung von Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen erst seit den siebziger Jahren als die Arbeitsmarkt- und Qualifikationsforschung auf Grund des schnellen und kaum prognostizierbaren Wandels von Technik und Arbeitsorganisation keine präzisen und validen Aussagen über die künftigen Qualifikationsanforderungen mehr zuließ.

Die konkreten Qualifikationsanforderungen schon für die nächsten fünf bis zehn Jahre nach Abschluß einer beruflichen Ausbildung vorherzusagen, war kaum mehr möglich. Die Berufspädagogik bemühte sich daher, Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen zu konstruieren, die es den einzelnen Personen gestatten sollten, sich auf die wandelnde Arbeitswelt auch individuell immer wieder neu einzustellen. Die ersten klar dimensionierten Kompetenzkonzepte unterschieden bereits Ende der achtziger Jahre Personal- und Sozialkompetenz, Fachkompetenz und Methodenkompetenz. Aber um für den Lehr- und Lernprozeß genauere Anhaltspunkte zu schaffen, wurden längere Indikatorenlisten für die verschiedene Kompetenzbereiche auf der Basis empirische Arbeitanalysen entwickelt.

Waren kompetenzorientierte Entwürfe für die Ausbildung und Weiterbildung in früheren Jahren pädagogisch normativ begründet, so zeigt die jüngere Entwicklung, daß heute die tatsächlichen und empirisch zu ermittelnden beruflichen Aufgaben der Fachkräfte kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung erfordern.

Auch in Lateinamerika wird in der Reform der Berufsbildungssysteme von einem breit angelegten Konzept beruflicher Handlungskompetenz ausgegangen. Die in vielen Ländern vorangetriebenen Reformen der technisch orientierten Sekundarstufen haben das Ziel, breit angelegte Qualifikationsprofile zu erzeugen, die sowohl für den Übergang zur Hochschule als auch für die Integration in den Arbeitsmarkt von Nutzen sind. Moderne Produktion ruft auch in Lateinamerika die Nachfrage nach breit qualifizierten Fachkräften hervor. Aber auch traditionelle Berufsbildungsinstitutionen setzen auf die Ausbildung gut qualifizierter Fachkräfte mit sozialen und methodischen Kompetenzen.

Dennoch müssen wir vor allem in der Reform der technischen Sekundarstufe davon ausgehen, dass nur ein geringer Anteil der ausgebildeten Jugendlichen im modernen Sektor eine Arbeit finden wird. In Argentinien verschiebt sich das Problem, denn je nach Sektor gehen nach Abschluss des technischen Abiturs mehr als zwei Drittel bis hin zu 80% der Jugendlichen auf weiterführende Schulen im tertiären Bereich. Auch viele Abgänger des SENATI finden nur im informellen Sektor eine Arbeit. Die chronische Unterbeschäftigung in El Salvador gibt Auszubildenden wenig Hoffnung, wie Lehrer und Ausbilder in den Seminaren immer wieder klagen.

Ich meine aber, dass eine konsequente Orientierung der Ausbildung am Prinzip der Handlungsorientierung soziale und methodische Kompetenzen schafft, die für selbständige Arbeit eine gute Grundlage sein können. Ohne diese Gedanken an dieser Stelle breit ausführen zu wollen, will ich aber zwei Beispiele anführen, wie eine konsequente Orientierung an lokalen Märkten Schule wichtige Impulse geben kann. Die Öffnung zum Privatsektor eröffnet handlungsorientiertem Lernen enorme Möglichkeiten, den Lernprozess auf reale Situationen aufzubauen. Schüler einer kaufmännischen Schule in San Juan haben Broschüren für die lokale Tourismusbranche hergestellt und Schüler einer Schule mit Klassen der Berufsvorbereitung haben ihre Schule kurzerhand in eine Produktionsschule verwandelt.

2. Das Prinzip Handlungsorientierten Lernens

Bei all den Fortschritten, kompetenzbasiertes Lernen in den unterschiedlichen Stufen der Aus- und Weiterbildung einführen zu wollen, gibt es in konzeptioneller Hinsicht ein Problem, das nur in Ansätzen gelöst ist. Wir wissen im Prinzip nicht genau, wie wir zielgerichtet komplexere Kompetenzen erlernen können. Die pädagogische Wissenschaft und insbesondere die Didaktik beruflichen Lernens gibt uns nur grobe Anhaltspunkte, welche Methoden zum Erlernen welchen Kompetenzbündels wie einzusetzen sind. Wir müssen uns mit Annäherungen und einer Aufarbeitung der Erfahrungen begnügen. Das Erfahrungswissen lehrt uns allerdings, dass handlungsorientierte Konzepte wesentlich eher geeignet sind, auch komplexere Kompetenzbündel erlernen zu können.

Handlungsorientiertes Lernen ist keine Methode, sondern ein Prinzip. Nach diesem Prinzip kann an unterschiedlichen Lernorten berufliches Handeln erlernt werden. In der beruflichen Ausbildung geht es darum, Auszubildende in der Berufsausbildung (Formación profesional) oder auch Schüler in berufsorientierten Bildungsgängen der Sekundarstufe vor praxisrelevante Aufgaben zu stellen, die zu erfüllen sind. Hintergrund ist dabei immer eine konkrete berufsrelevante und vor allen Dingen komplexe Situation. Es werden sodann Aufträge formuliert, die zu lösen sind. In didaktischer Hinsicht sind diese Lern- und Arbeitsaufgaben (tareas de aprendizaje y trabajo) das Gestaltungsinstrument der Ausbilder und Lehrer. Die Situation aus dem Arbeitsleben kann dabei als Kontext dienen, in dessen Rahmen ein Problem zur Lösung ansteht. Die Gestaltungsmöglichkeiten bestehen nun darin, je nach Vorkenntnis und bereits vorhandener Kompetenz der Lernenden mehr oder weniger komplexe Aufgaben zu formulieren. In der Praxis der EZ kann es hilfreich sein, bei der Einführung handlungsorientierten Lernens mit den Akteuren eine Erkundung lokaler innovativer Ökonomien vorzunehmen. Wenn es Projekte in der Wirtschaftsförderung gibt, sollten dort Kooperationen gesucht werden mit dem Ziel, lebensnahe Lern- und Arbeitsaufgaben zu formulieren.

Handlungsorientiertes Lernen ist dabei mehr als nur die Tätigkeit, das Durchführen der Aufgabe. Es geht um das zunehmend selbständige Planen, Durchführen und Bewerten. Es gehört weiterhin die Aufgabe dazu, zwischen unterschiedlichen Lösungswegen unterscheiden zu können, unterschiedliche Arbeitsverfahren kennen zu lernen und sie beurteilen zu können. Lernende müssen sich schließlich für eine Arbeitsablauf entscheiden, die Arbeit durchführen und kontrollieren, ob Qualitätskriterien eingehalten worden sind. Schließlich wird das Arbeitsergebnis bewertet, was konkret heißt, die Durchführung mit der Planung zu vergleichen um damit den eigenen Lernfortschritt bewerten zu können. Im Sinne der Konstruktion (Modus der Konstruktivität im Sinne konstruktivistischer Ansätze des Lernens) neuer Kenntnisse Fertigkeiten und Fähigkeiten sollen Lernende nach und nach dazu angeleitet werden, ihre zukünftigen Lernfelder eigenständig identifizieren zu können. Eine Evaluierung des Lernergebnisses ist in diesem Sinne als die Schaffung neuer Lernziele zu begreifen. Die Kooperation mit anderen Lernenden ist dabei ein weiteres Grundprinzip handlungsorientierten Lernens, denn nur hier können eigene Wertvorstellungen und Beurteilungen mit denen anderer verglichen und diskutiert werden. In diesem Sinne verweist das handlungsorientierte Lernen auf all die Verfahren, die in und mit der Gruppe durchzuführen sind.

Die Basis Handlungsorientierten Lernens ist die Planung, Durchführung der Aufgabe sowie die anschließende Kontrolle und Bewertung. Unter dem Begriff der Handlungsorientierung ist also der gesamte und vollständige Prozess des miteinander verbundenen Lernens und Arbeitens zu verstehen. Das Leitziel des handlungsorientierten Lernens ist die breite berufliche Handlungskompetenz.

Selbständiges Handeln ist erlernbar. Es eröffnet die Möglichkeit, zielgerichtet, kreativ und erfolgreich anstehende Aufgaben bewältigen zu können, um damit auf neue berufliche Herausforderungen reagieren zu können. Handlungsorientiertes Lernen geht von der vollständigen Handlung aus, die die drei großen Bereiche des Planens, Durchführens und Kontrollierens umfasst. Für das Lernen werden diese drei Bereiche weiter untergliedert und zwar in die sechs Schritte des Informierens, Planens, Entscheidens, Durchführens, Kontrollierens und Bewertens.

Derjenige, der eine Handlung ausführen will, muss sich zunächst über das genaue Ziel des Auftrages informieren. Er entwirft einen Arbeitsplan und entscheidet sich für einen Ausführungsweg. Er legt weiterhin fest, in welcher Reihenfolge er die Arbeiten ausführen will, wo und wie er mit Mitarbeitern kooperiert, und welches Werkzeug und Material er benötigt und einsetzen will. Dann führt er die Arbeit aus. Die Planung ist das eigenständige Probehandeln der späteren Durchführung der Aufgabe. Der Arbeitsablauf ist sozusagen im Kopf vorweggenommen worden. Der Lernende hat sich in diesem Sinne ein Bild von dem fertigen Produkt gemacht, einen Entwurf. Er hat sodann den Bauplan im Kopf erstellt. Zur Kontrolle ist es wichtig, das Lernende angeleitet werden, Qualitätskriterien zu entwickeln und dann auch einzuhalten. Der Kontrolle kann das Erarbeiten eines Kontrollbogens vorausgehen. In dem Bogen werden die Kriterien festgelegt, nach denen kontrolliert wird. Bei der Ausführung von Arbeitsaufgaben können hier auch Maßtoleranzen vorgeben werden, innerhalb derer die Qualität des fertigen Produktes liegen muss. Anschließend bewerten Lernende zusammen mit dem Ausbilder oder Lehrer, ob alle Planungs,- Entscheidungs- und Ausführungsschritte optimal verlaufen sind. Gleichzeitig wird der Arbeitsablauf untersucht und es wird gemeinsam ermittelt, welche Fehler zukünftig wie vermieden werden können.

Damit sind wir bei einem weiteren Prinzip handlungsorientierten Lernens angelangt: Das Lernen erfolgt in einem Zyklus von Prozess – Produkt – Prozess. Die Lösung einer Aufgabe endet in einem Produkt, das Produkt repräsentiert, wenn man so will den Prozess, es ist der real gewordene Prozess. Das Produkt ermöglicht nun einen weiteren Prozess, den der Reflexion. Die Reflexion ist Ausgangspunkt für eine neue Aktion einer vollständigen Handlung, eingeleitet durch eine neue Lern- und Arbeitsaufgabe, die dem in der Phase der Reflexion gemeinsam erarbeiten zukünftigen Lernbedarf gerecht wird. In diesem Sinne wechseln sich Aktion und Reflexion ab. Die Evaluierung oder im pädagogischen Sinne Bewertung verfolgt das Ziel, Qualifikationsdefizite in partizipativer Art und Weise aufdecken zu können und sie den Lernenden nahezubringen. Je länger Schüler oder Auszubildende mit dem Prinzip der vollständigen Handlung lernen, desto mehr lernen sie auch, eigenständig ihre Qualifikationsdefizite ermitteln zu können. Qualifikationsdefizite können so systematisch abgebaut werden. Die Lernenden erarbeiten sich den eigenen Lernweg, der den in den Curricula vorgegebenen Zielen folgen soll.

"Der Prototyp des spezifischen Handlungswissens ist der ‚Handgriff’ " (Aebli 1993, S. 127), was auf den behaivioristischen Ursprung (Habit) deutet. Heute hingegen bieten die kulturhistorische Schule Vigotskijs und Leontjevs sowie die auf Piaget fußenden neueren Forschungen lerntheoretische Zugänge. Das Prinzip der Handlungsorientierung wird im Sinne eines konstruktivistischen Lernverständnisses zur Methode, die je individuellen Räume des Lernens erkunden zu können. Damit nehme ich Bezug auf die Tätigkeitstheorie Leontjevs und ihre Revitalisierung in der modernen konstruktivistischen Theorie des Lernens.

Der Erwerb von Handlungswissen erfolgt über aktives Problemlösungen in vollständigen Handlungen, bei denen neben der fachlichen auch übergreifende methodische, soziale und personale Kompetenzen erworben werden. Wie wir gesehen haben, steht dabei nicht ausschließlich das Arbeitsergebnis im Mittelpunkt, sondern vielmehr ist der Weg dorthin entscheidend, denn er eröffnet den Raum für Reflexion, ein für die Konstruktion neuen Wissens und Könnens ganz entscheidender Beitrag. Die Auszubildenden lernen das aktive, selbstgesteuerte Vorgehen, suchen nach Lösungen. Doch zur Modellierung und Gestaltung dieser Suchbewegungen benötigen wir Methoden, die dem Paradigma problemlösenden Vorgehens folgen.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Prinzip der Handlungsorientierung in einem Methodenmix seinen Ausdruck findet. Je nach Lernfortschritt und Lernsituation der Auszubildenden sind im Wechsel Methoden zu wählen, die effektiv zum Aufbau beruflicher Handlungskompetenz führen. Dazu sind besonders die Leittextmethode und die Projektmethode geeignet. Ich möchte an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass uns bekannte darbietende Methoden damit nicht der Vergangenheit angehören, ganz im Gegenteil. Darbietende Methoden sind im Lernprozess komplementär anzulegen. Ein Projekt eignet sich gerade ideal dazu, den Lernprozess immer wieder durch kurze Phasen des zielgerichteten Lernens anzureichern, in denen z.B. mit der Unterweisungsmethode (Informieren, Vormachen, Nachmachen, Üben) Fertigkeiten in der Werkstatt und Fähigkeiten wie das Anwenden mathematischen Wissens auf berufliche Sachverhalte erworben und geübt werden.

3. Handlungsorientierung in der Leittext- und Projektmethode

Die Leittextmethode zielt auf den eigenständigen Erwerb von Fertigkeiten und Kenntnissen ab. Sie soll Lernende und Auszubildende zum selbständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren von Arbeitstätigkeiten befähigen. Das Vorgehen nach dem Prinzip der vollständigen Handlung wird beim Lernen mit Hilfe sogenannter Leittexte erworben. Eigenständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren wird mehrfach wiederholt und so zum grundlegenden Prinzip, in Arbeitsprozessen neue Aufgaben bewältigen zu können. Die Leittexte erhalten für die Lernenden und Auszubildenden mehrere verschiedenartige methodische Hilfen. Unterstützt werden die in schriftlicher Form vorliegenden Leittexte durch Leitfragen und Hilfestellungen seitens der Lehrenden. Mit einiger Übung kann das Vorgehen zunehmend eigenständig auf neue Lern- und Arbeitsaufgaben übertragen werden. Vor allem am Anfang ist darauf zu achten, dass der Arbeitsplan und die Zusammenstellung der erforderlichen Arbeitsmaterialien sorgfältig ausgearbeitet wird. Nur so kann der Lernende seine Planungskompetenz systematisch aufbauen. Die Methode fördert ein vorausschauendes und zielgerichtetes Denken und Handeln und bietet die Möglichkeit, kooperative Formen anzuwenden.

Die Methode ist in den achtziger Jahren in Deutschland zunächst für das individuelle Lernen entwickelt worden. Der Gedanke, die Methode auch in der Gruppenarbeit anzuwenden, kam mit der Forderung nach der Förderung sozialer Kompetenzen auf. Die Methode erfuhr so ihre Erweiterung. Die Leittextmethode eignet sich besonders zur Lösung komplexer Aufgaben, auch wenn Lernende die Komplexität erst ansatzweise auf Grund ihrer Vorkenntnisse und Vorerfahrungen zu erfassen in der Lage sind. Sie werden in diesem Sinne systematisch geleitet, auch schwierige Lern- und Arbeitsaufgaben bewältigen zu können.

Bei der Projektmethode hingegen bekommen die Lernenden oder Auszubildenden die Aufgabe, ein konkretes, und verwendungsfähiges Produkt herzustellen. Bei der Herstellung sollen möglichst viele Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in Aktion gebracht werden, um so neue Kompetenzen aufzubauen. Bei einem Projekt werden gleichermaßen theoretische und praktische Inhalte gelernt und aufeinander bezogen. Das Projekt umfasst die Werkstatt, das Labor und begleitende Fächer wie angewandte Mathematik und technisches Zeichnen sowie Übungen zur Interpretation technischer Information.

Die besondere Bedeutung, die bei der Vermittlung dem Projektunterricht zugesprochen wird, basiert auf einigen lerntheoretischen Prinzipien: Situationsbezug, Praxisrelevanz, (Situationsbezug, Praxisrelevanz: Hier ist besonders die Übungsfirma als eine auf der Handlungsorientierung fussende umfassende Methode zu erwähnen) Teilnehmerorientierung, Prozess- und Produktorientierung, Handlungsorientierung, Orientierung am ganzheitlichen Lernen, Selbstorganisation, Teamorientierung und Interdisziplinarität. Diese Prinzipien werden dem projektorientierten Lernen zugeschrieben und diese Prinzipien gelten in besonderer Weise als geeignet, kompetenzorientiertes Lernen zu unterstützen.

Leittextmethode und Projektmethode unterscheiden sich in dem Grad selbständigen Arbeitens. Bei der Projektmethode liegt die Planung bereits möglichst umfassend bei den Lernenden oder Auszubildenden. Die Lern- und Arbeitsaufgabe ist in diesem Sinne offener formuliert. Die Kreativität der Lerner wird gefordert, Lernwege eigenständig zu entwickeln und zu beschreiten, wobei der Irrtum zugelassen wird und Gegenstand der Reflexion ist. Im Sinne des konstruktivistischen Paradigmas ist die Projektmethode verlockend, zielt sie doch auf das eigenständige Handeln der Lerner. Allerdings müssen sie das eigenständige Lernen erst lernen und deshalb ist es ratsam, die Leittextmethode und die Projektmethode miteinander zu verknüpfen. Das didaktische Gestaltungspotenzial der Ausbilder und Lehrer liegt im genauen Formulieren der Lern- und Arbeitsaufgabe. Hier kann eine klar umrissene Aufgabe innerhalb eines komplexen Kontextes mit genau ausgearbeiteten Leittexten formuliert werden, die dann Lernern enge Handlungsräume eröffnet, innerhalb derer sie lernen und arbeiten. Erst wenn das Prinzip der vollständigen Handlung mit seinen sechs Schritten des Handlungsvollzuges von den Lernern angewendet werden kann, sie also das Handwerkszeug für ihr methodisches Vorgehen besitzen, kann die Lern- und Arbeitsaufgabe offener formuliert werden. Wir sollten es vermeiden, durch Überforderung der Lerner Misserfolge zu organisieren, denn das Handlungsorientierte Lernen zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es – richtig angewandt – aus der Sache heraus Motivation erzeugt und Lerner Selbstbewusstsein in der Problembearbeitung erlangen lässt. Dieser Prozess ist von den Lehrern und Ausbildern allerdings sorgsam zu steuern.

Oder bezogen auf Vygotzki und die Zone Nächster Entwicklung (ZNE): Lehrer und Ausbilder müssen mit der Anwendung der Projektmethode Methoden entwickeln, die ZNE bei ihren Lerngruppen auch genau identifizieren zu können – sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben, wenn wir anfangen, das Lehren zu lassen und Auszubildende wie Schüler nach und nach lernen zu lassen. Das "Lassen" beinhaltet auch, Gestaltungsmacht abzugeben und sich auf Prozesse einzulassen, die einen hohen Grad an Unbestimmbarkeit haben und folglich vom Lehrer und Ausbilder ein hohes Maß an Souveränität verlangen, sich auf die offenen Lernprozesse einzulassen. Die erforderliche Flexibilität kann man sich nur nach und nach aneignen, wobei eine begleitende Lehrer- und Ausbilderfortbildung geraten scheint. Hier muss es in erster Linie darum gehen, Unsicherheiten aufzugreifen und neue Methoden und Techniken systematisch zu lernen und zu trainieren. Nur so erarbeiten sich Ausbilder und Lehrer die Kompetenz, nach und nach mit Methoden und Techniken in komplexen pädagogischen Situationen angemessen reagieren zu können.
Der Übergang vom autokratischen Stil zum demokratischen Stil ist mit einer ganzen Reihe von Disziplinproblemen seitens der Lernenden verbunden. Das unvermeidbare Tal der zeitweisen Desorganisation sollte in Begleitung geschulten Personals der Lehrerfortbildung durchschritten werden, will man Lehrer und Ausbilder nicht frustrieren in der Anwendung neuer Methoden, die dem Prinzip handlungsorientierten Lernens folgen.

4. Ausbilder- und Lehrerfortbildung

Wenn man lediglich die Systematisierung, Kategorisierung und Sequenzierung von Kompetenzen in Curricula festschreibt, kann man nicht die erwünschten Resultate erreichen. Sehr wichtig ist es, daß das pädagogische Personal die genannten Lernprinzipien beherrscht und darüber hinaus einschlägige Lehr- und Lernmethoden einsetzen kann, die zur Förderung der jeweiligen Kompetenzbereiche geeignet sind.

Eine Reform der beruflichen Curricula ist, wie bereits oben erwähnt, wenig wirksam, wenn nicht gleichzeitig eine intensive und hohe Qualitätsstandards realisierende Aus- und Fortbildung des pädagogischen Personals in der beruflichen Bildung angeboten wird. Es geht besonders darum, die Kompetenzen der Lehrenden und Ausbildenden zu verbessern, d.h. die Fachkompetenz auf den Umgang mit den neuesten technologischen Entwicklungen zu erweitern, die Methodenkompetenz so zu schulen, daß angemessene Lehr- und Lernformen verfügbar sind, die Sozialkompetenz durch einen kooperativen situationsorientierten Führungsstil und Formen der Lernberatung zu stärken und die individuelle Kompetenz zu sensibilisieren, beispielsweise durch die Fähigkeit zur Metareflexion des eigenen pädagogischen Handelns unter Berücksichtigung übergeordneter Bildungs- und Erziehungsziele.

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5. Literatur:

Aebli, Hans: Denken, das Ordnen des Tuns, Klett-Cotta 1993

Uhe, Ernst, Meyser, Johannes: Handelnd Lernen in der Bauwirtschaft, Christiani, Konstanz 2001

Lindemann, Hans-Jürgen (Buenos Aires) / Tippelt, Rudolf (München): Competencias Cla-ves y Capacidades Profesionales Básicas, Una selección de aspectos y fundamentos, [Schlüs-selkompetenzen und berufliche Grundqualifikationen, Ausgewählte Aspekte und Grundlagen] In: Hans-Juergen Lindemann (ed.): Competencias fundamentales, Competencias transver-sales, Competencias clave, Aportes teóricos para la reforma de la formación técnico-profesional, TRANSFOTEP, Proyecto INET - GTZ, GTZ - Cooperación Técnica Argentino-Alemana, Buenos Aires, Februar 2000